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Moscheeführungen in Deutschland – Wirkungen und Empfehlungen

Veröffentlicht am 03/01/2020

Olga Janzen

Viele Moscheen in Deutschland bieten Führungen für nicht-muslimisches Publikum an. Sie öffnen ihre Türen unter dem Vorzeichen des interkulturellen und interreligiösen Dialogs und verbinden damit unter anderem das Ziel Vorbehalte, Ängste und Vorurteile gegenüber dem Islam und Muslim*innen in Deutschland abzubauen. Das Angebot der Führungen erlebt ein reges Interesse. Eine der quantitativ bedeutendsten Zielgruppen sind dabei Schulklassen, die meist im Rahmen des Religionsunterrichts in Begleitung von Lehrkräften die Moscheen besuchen.

Vor dem Hintergrund der Bemühungen stellt sich die Frage nach der Bedeutung und Wirkung solcher Begegnungen. Dieser Frage ist eine Studie am Institut für interdiszipli- näre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld nachgegangen. Denn aus Sicht der Sozialpsychologie kann eine Moscheeführung als Kontakt zwischen Muslim*innen und Nicht-Muslim*innen beschrieben werden. Kontakt bzw. Begegnungen zwischen sozialen Gruppen haben weltweit in unterschiedlichen Situationen eine vorurteilsreduzierende Wirkung gezeigt. Selbstverständlich ist dieser Effekt jedoch nicht, da Kontakt unter ungünstigen Bedingungen sogar zu einer Verstärkung der vorhandenen Vorurteile führen kann.

Um festzustellen, ob Moscheeführungen Änderungen von Einstellungen bei nicht- muslimisch sozialisierten Jugendlichen bewirken, sind insgesamt 344 Schüler*innen in einem sogenannten Feldexperiment befragt worden. Die Hälfte der Schüler*innen hat an einer Führung teilgenommen (Experimentalgruppe). Die Schüler*innen aus verschiedenen Schulen waren dabei auf sechs verschiedene Moscheen verteilt. Die zweite Hälfte ist zu der gleichen Zeit befragt worden, ohne eine Moscheeführung zu unternehmen (Kontrollgruppe), da erst ein Vergleich dieser Gruppen eine fundierte Aussage über mögliche Effekte machen kann. Die Führungen und Befragungen fanden im Jahr 2016 statt. Mittels Fragebogen sind die Schüler*innen nach ihren Einstellungen zum Islam und zu Muslim*innen in Deutschland sowohl kurz vor als auch kurz nach einer Moscheeführung sowie einige Monate später befragt worden. Es zeigt sich: Für vier Moscheen können signifikant positivere Einstellungen zum Islam wenige Tage nach der Führung gemessen werden. Bei den Besucher*innen der anderen zwei Moscheen sind keine Änderungen in den Einstellungen zu verzeichnen. Bei einem Vergleich der Einstellungen der Schüler*innen zwischen der ersten und letzten Befragung nach mehre- ren Monaten weisen nur noch die Besucher*innen einer Moschee positivere Einstellungen auf.

Damit haben vier von sechs Führungen bei den Besuchergruppen kurzfristig zu positiveren Einstellungen gegenüber dem Islam geführt, während eine langfristige positive Wirkung nur noch bei einer Führung vorzufinden ist.

Neben den Befragungen sind im Rahmen der Studie auch Interviews mit Moscheeführer*innen, Lehrkräften und Schulklassen sowie teilnehmende Beobachtungen bei Moscheeführungen durchgeführt worden. In Kombination mit den Ergebnissen lassen sich aus diesen Einblicken Empfehlungen ableiten.

Moscheeführer*innen legen ein beachtliches Engagement an den Tag. Die Führungen bieten sie in der Regel ehrenamtlich als Mitlieder der Moschee an. Teilweise werden Führungen aber auch von Imamen durchgeführt. Abgesehen von einigen großen Mo- scheen passiert das in Einzelarbeit und ohne externe Unterstützung. Deshalb empfiehlt sich erstens die Erarbeitung eines Best-Practice Modells durch einen Experten*innenkreis. Dabei kann sowohl die Erfahrung von Moscheeführer*innen als auch pädagogische und didaktische Expertise einfließen. Denn neben der inhaltlichen Ausgestaltung sind je nach Zielgruppe unterschiedliche Kompetenzen für die Vermittlung erforderlich. Neben Schulklassen kommen beispielsweise auch Ausbildungsklassen aus Pflegeberufen oder politische Parteien zu Führungen. Verhalten, Fragen und Diskussionsbedarf können sich stark unterscheiden. Fragen und Äußerungen, die verletzend, unsensibel oder feindselig sind, können Teil von Führungen sein. Deshalb empfiehlt sich zweitens ein organisierter überregionaler und vereinsunabhängiger Austausch von Moscheeführer*innen. Eine solche Plattform kann im Internet organisiert werden und würde die Möglichkeit bieten sich über positive und negative Erfahrungen sowie über gut funktionierende Elemente einer Führung (z.B. besonders gelungene Kommunikation) und über ungelöste Herausforderungen auszutauschen. Die Moscheeführer*innen könnten so von den Positivbeispielen profitieren, aber auch nach Lösungsansätzen fragen, wenn sie mit schwierigen Situationen konfrontiert sind.

 

Olga Janzen

Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bielefeld am Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG).


							

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